VAZ-Aquaristik-Leitbild

Raum für Mensch und Tier

Das Leitbild soll Richtlinien für die Aquaristik bieten. Die Natur soll Vorbild sein.

Zitat: "Tierliebe bedeutet, Eigenarten und Bedürfnisse der Tiere kennen zu lernen und den Verzicht auf Befriedigung unserer eigenen Wünsche, die meist auf viel körperliche Berührung abzielen. Unter echter Tierliebe verstehen wir Freude am Tier unter grösstmöglicher Rücksichtnahme auf seine biologischen Erfordernisse."
(Prof. Dr. Dr. H. Hediger)
Die Tiere sind eine kostbare Leihgabe der Natur, die im Interesse der Art und ohne kommerziellen Hintergrund betreut werden sollen.
Die ideale Welt wäre eine Welt, die eine Tierhaltung nicht nötig hätte. Tierhaltung ist indes heute so wichtig wie noch nie zuvor, denn:

1. Durch die Verstädterung verliert der moderne Mensch den Zugang zur Natur. Ein Aquarium kann ein "Notausgang zur Natur" darstellen (in Anlehnung an Hediger).
Tierfilme bilden eine Ergänzung, aber keinen Ersatz für den unmittelbaren, Kontakt mit Tieren in Aquarien.

2. Durch die Naturentfremdung entsteht beim modernen Menschen ein Wissensdefizit, das durch die Aquarienpflege sehr wirkungsvoll bekämpft wird.

3. Durch Zunahme der Weltbevölkerung und Verbesserung des Lebensstandards werden Naturbiotope unwiederbringlich zerstört - z. B. 33 Hektar Tropenwald pro Minute. Nicht nur deswegen werden in beschränktem Masse auch bei Fischen Erhaltungszucht-Programme durchgeführt. Dies ist jedoch eine Zooaufgabe und in Heimaquarien, nach dem heutigen Stand der Dinge, kaum (nur vereinzelt) durchführbar.

Die Aquaristik verfolgt vier Hauptziele:

  • Erholung für die Aquarianerinnen und Aquarianer
  • Natur erleben
  • Wissensaufbau
  • Natur- und Tierschutz besser verstehen lernen

Die Anlagen sollen so naturalistisch und artgerecht wie möglich mit biotopgerechten Materialien und mit lebenden Pflanzen gestaltet sein: Deshalb ist der Relation Tieranzahl zu Anlagefläche besondere Beachtung zu schenken. Raumqualität ist ebenso wichtig wie Raumquantität. Zucht- und Abtrennanlagen können mit weniger Raum auskommen, Schauanlagen müssen um einiges grösser sein.
Die Infrastruktur soll effizient und möglichst einfach im Unterhalt sein. Die Einrichtung soll möglichst natürlich sein.

Der Informationsaustausch ist eine Daueraufgabe.





Die Auswahl der Tierarten soll nicht zufällig sein, sondern bewusst erfolgen. Bei der Auswahl ist vor allem auf folgende Punkte zu achten:
Tierarten sollen nur gehalten werden, wenn dies artgemäss, z. B. in Bezug auf Gruppenzusammensetzung, Fütterung, Klima etc., möglich ist. Geeignete Anlagen müssen vorhanden sein. Bei nahe verwandten Formen sollte diejenige bevorzugt werden, deren Nachzuchten gut platzierbar und deren Pflegeaufwand möglichst gering ist.
Anfänger: Bei Interesse am Schauwert sollte man sich auf einfach zu pflegende Arten beschränken – z. B. Lebendgebärende.
Fortgeschrittene: Können sich bei der Auswahl der Arten vermehrt auf Attraktivität in Bezug auf Aktivität, Verhalten, Schwimmweise, Farben, Formen etc. ausrichten.
Spezialisten: Diese wagen sich an Arten mit aussergewöhnlichen Ansprüchen, z. B. Adaptation an wechselnde Umweltsituationen, Symbiosen, aussergewöhnliche Verhaltensweisen, bewilligungspflichtige Arten, etc.

Selbstbeschränkung bezüglich seltener oder sehr schwer zu pflegenden Arten. Optimale Pflegebedingungen schaffen. Überbevölkerung vermeiden.

Dem Tier muss das richtige Psychotop mit allen notwendigen Fixpunkten geboten werden. Dabei handelt es sich um einen psychologisch aufgefassten Lebensraum eines Individuums, dessen Strukturen ausschliesslich durch das Erleben des Individuums definiert ist (Fisch-Wirklichkeiten).
Die Wasserqualität und die Wassertemperatur muss den jeweiligen Bedürfnissen der Tiere entsprechen.
Wichtig sind Beschäftigungsmöglichkeiten, die der jeweiligen Tierart angepasst sind. Dies kann erreicht werden, indem Tierarten gemeinsam gehalten werden oder in Form möglichst natürlicher Verhaltensanreicherungen, die teilweise wieder geändert werden können. Das Anbieten von Futter soll für das Tier in Bezug auf Zusammensetzung, Ort und Zeit möglichst natürlich und abwechslungsreich sein und sich überdies harmonisch in die naturalistische Umgebung integrieren.
Die Fische sollen in möglichst natürlichen Arten- und Sozialgemeinschaften gepflegt werden, und in naturalistischen, artgerechten Anlagen leben, die Rückzugsmöglichkeiten aufweisen.
Die technischen Pflegevoraussetzungen haben dem Standard zu entsprechen. Die Anlagen dürfen keine Materialien oder Strukturen aufweisen, die bei Tieren zu Verletzungen oder Vergiftungen führen können. Die Sicherheit hat für Mensch und Tier Vorrang.
Plötzlicher Lärm und ungewohnte oder unvermittelte Bewegungen vor den Aquarien sind zu vermeiden.
Reinigung und Fütterung sollen möglichst den Bedingungen im Freiland angepasst sein. Bei Transfer sollen Tiere langsam an neue Bedingungen gewöhnt werden.
Zuchten sollten artgemäss durchgeführt werden.
Die Berücksichtigung des aktuellen Wissenstandes ist für einen dauerhaften Pflegeerfolg erforderlich. Die Haltungsverbesserung ist eine Daueraufgabe.
Als oberstes Ziel wird eine artgemässe Tierhaltung angestrebt, was nicht gleichbedeutend sein muss mit dauerndem uneingeschränktem Wohlbefinden des Tieres - was zu Wohlstandsverwahrlosung führen kann. Dosierter Stress beispielsweise hat nach wissenschaftlichen Erkenntnissen positiven Einfluss auf das Sozialverhalten.
Oberstes Gebot: Die Tierhaltung soll sich nach den Gegebenheiten in der Natur richten.
Das VAZ-Leitbild basiert auf dem Leitbild des Zoo Frankfurt,
von Direktor Dr. Christian R. Schmidt, mit Bewilligung vom 22. Februar 2006